Laudatio auf Dr. Sr. Lea Ackermann/ mvw
Es ist mir eine Ehre und große Freude heute die Laudatio auf eine großartige Frau und , ich darf es sagen, auf eine langjährige Freundin halten zu dürfen. Sr.Dr.Lea Ackermann. Die Gründerin von Solwodi, solidarity with women in distress.
Einen Menschen beschreiben, dem man Freund ist, ist gar nicht so einfach. Zu nah? Zu wenig distanziert? Sie mögen es nach meinen kurzen Worten selbst beurteilen.
Wir, Lea und ich haben vor zwei Wochen telefoniert. Und sie erzählte mir, dass sie in zwei Tagen ganz schnell nach Kenia fliegen müsse. Da liefe was nicht so gut, in einem von solwodi finanzierten Frauenhaus. Sr. Lea ist 82, und ich meinte nur fürsorglich: aber pass gut auf Dich auf. Rein gesundheitlich gesehen....das kommt aber gar nicht richtig an bei.
So ist sie, wenn es Probleme gibt, packt sie zu. Wenn es nachts an ihrer Haustüre im ehemaligen Pfarrhaus am Rhein klingelt, springt sie aus dem Bett und öffnet. Ihre Tür und ihr Herz.
Und Lea hat ein wunderbares, großes Herz. Sonst wäre sie heute auch nicht unter den Ausgezeichneten des eindrucksvollen Projektes von Prof. Ulrike Detmers: Gemeinsam Leben.
Eine gelernte Bankkauffrau, promoviert, eine die sich weltweit einsetzt gegen Gewalt und Missbrauch von Frauen. Konkret: gegen Prostitution.
Pendelnd zwischen den Kontinenten. Heute spricht sie in Brüssel vor dem Parlament , morgen liest sie in Berlin den Politkern in Sachen Prostitutionsgesetz die Leviten . Immer und unverbrüchlich „ihre Frauen“ im Visier. Deren oft aussichtlose Schicksale sie mit Leidenschaft und Liebe in ein besseres Leben wenden möchte. Nie ein wenig Ruhe, kein noch so kurzes Innehalten...denn ihre Themen sind nicht gelöst, ihre Probleme nicht beseitigt. Nein, für ein Ausruhen ist keine Zeit.
„Ich sollte was Ordentliches machen“ diesen Satz ihres Vaters zitiert Lea gerne, wenn sie sich an ihre Kindheit erinnert. Die Tochter eines bodenständigen Bauunternehmers absolvierte auf Wunsch der Eltern eine Banklehre. Wurde Bankkauffrau. Seitdem kann sie rechnen. Und wie! Das ist auch überlebensnotwendig, bei der stets knappen Finanzlage ihre Hilfsorganisation...
Nach einem Jahr schickt die Bank sie nach Paris. Das gefällt der jungen Frau schon besser, die immer schon am liebsten hinaus in die Welt starten will. Vielleicht als Lehrerin, das ist einer ihrer Wünsche.
Klar war aber auch für Lea: sie würde nie im Leben in ihrem Heimatort bleiben wollen, gar heiraten und Kinder kriegen.
Wir kennen den Spruch ja alle: der Mensch denkt, Gott lenkt.
Lea hat sich lenken lassen. Denn sie war schon immer auch: ein gläubiger Mensch.
So landet die Bankkauffrau- in einem Orden. Wie das zusammenpasst? Eigentlich gar nicht, wie so vieles bei ihr. Gab es eine Erleuchtung? Ein besonderes Erlebnis, dass Lea an der Klostertüre pochte? Nein- eher das Gegenteil.
Nach einer durchtanzten Nacht mit den Bankkollegen verschlägt es sie im verschwitzen Kleidchen und hochhakigen Schuhen in Trier vor die Tores eines Klosters. Genauer: des Ordens „Unserer lieben Frau von Afrika“.
Jetzt ist sich Lea sicher: Das ist es, das ist die Welt und Gott, die Aufgabe und das Glück. Die Eltern- klar, die sind erst mal entsetzt aber bringen ihre Tochter dann selbst dorthin. Zwei Jahre prüft sie sich gründlich. Dann legt Lea nach acht Jahren in diesem Orden die ewigen Geluebde ab.
Über Lea Ackermanns Leben gibt es viele Bücher. Sie selbst hat geschrieben, Interviews in nicht mehr zählbarer Menge gegeben.
Nur einige Titel, um ihre Themenbereiche zu umreißen:
„Verkauft, versklavt, zum Sex gezwungen.“
„Über Gott und die Welt: Gespräche am Küchentisch mit Prof. Pater Fritz Köster.“
„Um Gottes Willen Lea! Mein Einsatz für die Frauen in Not.“
Da ist einmal ihr Mut. Anzupacken, wo sie Unrecht sieht. Es zu ändern, immer Lösungen zu finden. Und mögen sie auch noch so verrückt erscheinen. Gepaart mit ihrem Mut ist auch ihre Angstfreiheit. Weder vor Oberen in der Kirche oder Politik, noch vor gewalttätigen Menschen, sei es in Afrika, Asien oder hier in Europa. Sie kuscht nicht, nie. Sie kann nicht kuschen.
„Keine Frau arbeitet freiwillig als Prosituierte“, ist längst ihre Lebenserfahrung. Denn Prostitution ist kein Beruf. Die Gewalt im Rotlichtmilieu trifft besonders Frauen. Die Folge: Frauen werden zur Ware und als solche gehandelt.
Das Prostitutionsgesetz aus dem Jahre 2002 hält sie darum für vollkommen falsch und fordert dringend die Politiker und Politikerinnen in Berlin auf, es endlich zu verändern.
48 Mitarbeiterinnen in 18 Beratungsstellen stehen ihr in ihrem immerwährenden Kampf zur Seite. In sieben Schutzwohnungen finden Ausländerinnen eine Bleibe und ein Bett. Können bleiben bis zum Prozess gegen die Täter. Notfalls mit einer neuen Identität. Kaum eine Polizeistation, eine Staatsanwaltschaft oder ein Innenministerium in Deutschland wo Lea nicht schon deshalb vorgesprochen hätte. Sich nicht und nie hat abweisen lassen, gekämpft hat, für ihre Sache.
Denn zu ihrem Mut kommt das Beharrungsvermögen, die Durchsetzungskraft,- und alles unterfüttert von ihrer Wut. Im Bauch. Keiner kann ihr was abschlagen. Keiner, der dieser kämpferischen Nonne je begegnet ist.
Mut und Wut, damit schafft Lea so vieles. Bringt den Weltkongress gegen sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen auf den Weg. Natürlich mit vielen kraftvollen Mitarbeiterin und Unterstützerinnen. Kämpft für das nordische Modell, das einen totalen Blickwechsel bringt, da werden Freier bestraft wenn sie für Sex zahlen. Sie fordert zusammen mit dem bayerischen Flüchtlingsrat die Schließung der Ankerzentren. Weil Frauen dort nicht geschützt, sondern eher gefährdet sind. Regt sich über unser Asylrecht auf, weil dort Opfer von Menschenhandel erneut zu Opfern werden. Zwoschen durch erwärgt Lea aus Altersgründen auszusteigen, zurückzudrehen, anderen das Ruder zu büerlassen. A#ber: das geht nicht, liebe Lea, Du bst Solwodi, der Motor, die Marke, der USP wie man in der Werbebranche sagt. Nein, aufgeben ist keine Alternative!
Ein weiterer erstaunlicher Aspekt an Lea Ackermann setzt sich zusammen aus der Kombination Frau, die sich für Prostituierte einsetzt, und dort : gläubige Nonne. Dieser Spannungsbogen, so will ich das mal nennen, interessiert auch immer wieder die journalistischen KollegInnen und Kollegen, die Medien – und die Kirchentage. Kein Katholikentag ohne Lea. Diese inhaltliche Kombination hätten sich auch raffinierte Werber und Medienmanager ausdenken können, um die größtmögliche Öffentlichkeit für ein Thema zu erreichen.
Das aber, und da lege ich für Schwester Lea die Hand ins Feuer, war nie ihr Gedanke.
Nein, sie ist gläubig. Zutiefst gläubig. Ihr Zuhause mit ihrer Organisation hat sie in Hirzenach hoch über dem Rhein gefunden.
In einer kleinen ehemaligen Pfarrei . Groß genug für Lea und ihre Solwodi-Mitarbeiterinnen. Nebenan die Pfarrkirche. Wo sie
immer wieder zwischendurch ein paar Minuten Zeit findet um zu ihrem Gott zu beten. Wenn wieder mal in Mombasa nichts richtig lief, wenn sich ein Staatsanwalt quer stellte und den Zeugenschutz einer ihrer Schützlingsfrauen verweigerte. Wenn eine junge Frau plötzlich in der Schutzwohnung in Angst und Depression verfiel, weil die untätige Zeit bis zum Prozess so lang gerät...Dann geht Lea beten.
Franz von Assisi ist ihr männlicher Lieblingsheiliger. Sie bezeichnet ihn als „Umstürzler mit Charme“ Einen Revolutionär der Sprach- Macht- und Mittellosen, obwohl reich von Geburt. Er wechselte die Seiten. Er machte es sich freiwillig schwer. Und Solwodi ist für sie der Versuch, den „Seitenwechsel des Franziskus aktuell nachzuvollziehen.“.
Dabei hilft es ihr, und Solwodi, und den betreuten Frauen, dass man Lea Ackermann beim besten Willen nichts, aber auch wirklich nichts abschlagen kann....Mut und Wut. Und Überzeugungskraft.
Eine unwiderstehliche Kombination...
Ich könnte von ihrer Doktorarbeit erzählen: “Erziehung und Bildung in Ruanda“. Schon damals also: Afrika. Ihr Engagement in der katholischen Kirche als Mitglied des Zentralrates der Katholiken erwähnen. Sie zitieren: “Ich bin Ordensschwester geworden, liebend gerne, ich wollte mich ganz in den Dienst der Kirche stellen. Aber mitzuentscheiden habe ich nicht viel, weil die Entscheidungskompetenz an das Amt gebunden ist“, kritisiert die Nonne dann schon mal ihre Kirche. Wen wundert es ,wenn sie darum kämpft , dass auch Frauen in ihrer katholischen Kirche Priesterinnen werden dürfen.
Ich könnte erzählen von ihrer Wut und ihrem Entsetzten über all die vielen unsäglichen Flatrate-Bordelle . „“Sex mit allen Frauen, so lange du willst, so viel du willst „....und so weiter.. Das regt sie unglaublich auf. Immerhin gehen täglich 1,2 Millionen Männer in Deutschland zu einer Prostituierten. Dies ist keine Fiktive Zahl! Das ist statistische Realität.
Das lasse ich jetzt sein. Ihr wirklich gerecht zu werden in all ihren Facetten, scheint mir vermessen. Nur noch ein paar persönliche Worte zum Ende meiner Laudatio.
Ich danke Dir für Deine immerwährende Freundschaft. Dein stetes Mitfühlen als Freundin und Dein Mitkämpfen bei den gleichen Themen, die uns verbinden: das Unrecht das weltweit Frauen und Mädchen geschieht, unsere katholische Kirche, die Frauen darin. Und überhaupt.. alles Unrecht dieser Welt.
Herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung, liebe Lea. Wer, wenn nicht Du, würde sie verdienen.