22.10.2011, Auch am Horn von Afrika trifft es zuerst wieder die Frauen

Vortrag bei der Tagung "Die Alleingelassenen-Frauen in Kriegen" in Halle/ Schloss Schowitz

Wir diskutieren zur Zeit heftig über die Frauenquote in Unternehmen, über den Euro und seine Zukunft, über Banken ,Griechen und Finanzmärkte und wie es uns in Zukunft gehen mag.
Das Drama am Horn von Afrika mit 12 Millionen Hungernden ist aus den Schlagzeilen raus. Was nie in den Schlagzeilen war dabei: dass es zu 80 Prozent die Frauen sind, die von Hunger, Flucht und Vertreibung betroffen sind. Die jetzt im größten Flüchtlingslager der Welt, in Dabaab in Kenia, nah der somalischen Grenze leben. Dabaab- heute die drittgrößte Stadt in Kenia.

Frauen, die mit ihren Kindern oft zwei, drei Wochen durch die Wüste gezogen sind, sich vor den Kriegsmilizen verstecken mussten. Denn die wollen ihnen nicht nur das letzte Hab und Gut nehmen, sondern die wollen auch Frauen und Mädchen vergewaltigen. Sind die Frauen dann erst mal vor dem Lager angekommen- dort warten sie bis zu drei Wochen im Sand auf ein Plastikbändchen, dann redet niemand über die Vergewaltigung. Dass sie es bis hierher geschafft haben, das zählt. Aber: auch die Regierungstruppen sollen angeblich in Somalia Flüchtlingsfrauen vergewaltigen…es scheint untrennbar mit Krieg, Zerstörung, Vertreibung verbunden.
Und was wir nicht vergessen sollten: während ich hier spreche, stirbt alle sechs Minuten ein Kind den Hungertod. Am Horn von Afrika leiden vor allem Frauen und Kinder unter zehn Jahren Bürgerkrieg, 5 Jahren Dürre und La Nina….

Noch heute leiden Tausende Frauen nach dem Krieg im Kongo

Bleiben Sie mit mir in Afrika. Frauen in Kriegen und in Krisengebieten- dazu will ich  Ihnen einiges erzählen, was es eben nicht in den Zeitungen zu lesen gibt, im Radio oder Fernsehen zu hören ist. Auch nicht im Internet….da redet auch keine drüber.

Seit zwei Jahren herrscht zwar in der Demokratischen Republik Kongo wieder Frieden. Nach einem zwölf Jahre dauernden Krieg, in dem ebenfalls hundertausende Frauen vergewaltigt, verstümmelt, sexuell versklavt wurden. „Im Schatten des Bösen“ nannte Susanne Babilas ihren Film über den Krieg gegen die Frauen im Kongo. (2008 ARD 22.45 Uhr) Sie macht deutlich, dass auch in diesem Krieg Vergewaltigung als Kriegswaffe eingesetzt wird. Von den ruandischen Milizen genauso wie von den kongolesischen Truppen.
Bis zum heutigen Tag sind Krankenhäuser und Spezielle Einheiten - wie die von Monika Hausers Medica Mondiale  - voll der Frauen, die unverändert an den Folgen leiden. Ich will hier gar nicht von den psychischen Folgen sprechen. Nein- diese Frauen sind auch schwerst genital verletzt, leiden an Inkontinenz, was sie aus der Gruppe aus der Familie ausstößt. In Bukavu in der Klinik werden jährlich 1000 Schwerverletzte operiert, bis heute. Das sind 8ojährige Großmütter genauso wie 10jährige Mädchen. Dramatisch sind die Verletzungen auch deshalb, weil ein Großteil der Frauen als acht, zehnjährige Mädchen sexuell verstümmelt wurden, ich spreche bewusst nicht von der verharmlosenden männlichen Beschneidung.
UNICEF berichtete damals bei Kriegsende von vierjährigen Mädchen, die als Sexsklavinnen verschleppt worden waren, und von Vätern, die in überfallenden Dörfern gezwungen werden ihre eigenen Töchter zu vergewaltigen. Wer sich weigerte, wurde vor den Augen der Familie erschossen. Diese Szenen sind auch im Krieg auf dem Balkan geschehen…


Wenn die Soldaten weg sind in Afghanistan wird es für 11 Millionen Frauen noch schlimmer

Zur Zeit toben an 42 Schauplätzen dieser Welt Kriege. Es hat bei uns in Deutschland lange gedauert, bis die Politiker auch vom Krieg in Afghanistan gesprochen haben. Den 2002 die männlichen Politiker in den USA, in Großbritannien begonnen haben, als Folge von nine Eleven, gegen die Achse des Bösen, Sie erinnern sich?
Und sie sind es jetzt ebenso, wenn sie vom Abzug der Truppen sprechen. Nach zehn verheerenden Jahren. In denen die die Taliban zwar erst geflohen sind, aber jetzt wieder einflussreicher und mächtiger denn je nur auf den Tag des endgültigen Abzuges warten um ihre Idee von einer Scharia-Gesellschaft umzusetzen. Da kann unser Bundespräsident Wulff mit dem afgh. Präsidenten Karzai noch so nett und einvernehmlich plaudern – die Briten, die Amerikaner, die Deutschen, die Holländer, Norweger, sie alle werden wieder nach Hause fliegen. Und zurück bleiben 11 Millionen Frauen, mehr als Männer, auch dort teilt sich die Bevölkerung so auf – die von einer männlich dominierten islamischen Gesellschaft beherrscht werden.

Schon jetzt ist es so, dass eine Frau dort mit weit größerer Wahrscheinlichkeit in Armut und Elend leben wird, als ein Mann. 2009 hat gar eben jener Karzai seine Unterschrift unter das fundamentalistische Gesetz gesetzt, nachdem Frauen ihren Männern mindestens alle vier Tage sexuell zur Verfügung zu stehen haben. In den Kabuler Kliniken werden täglich bis zu zehn Frauen eingeliefert, die sich mit Benzin übergossen und angezündet haben. Weil sie ihr Leben unter diesen männlich diktierten Bedingungen nicht ertragen können.

Drei Seiten Verbote und Strafen

Ich habe mir mal die Verbote, was Frauen und Mädchen alles nicht dürfen, aus dem Internet heruntergeladen. Es sind drei eng beschriebene Seiten…. der Text beginnt damit, dass die Taliban die Frauen schlechter als ihre Tiere behandeln. Käfighaltung für diese haben nämlich die Taliban als illegal erklärt, nicht die Käfighaltung der Frau. Nur mit der Burkha auf die Strasse….nie alleine, immer in Begleitung eines Mannes. Aber natürlich keines Fremden! Vollständiges Verbot für irgendeine Aktivität außer Haus, nie zu einem männlichen ArztAuspeitschen, schlagen und verbale Misshandlungen, wenn sich Frauen dem nicht unterordnen. Öffentliches Auspeitschen, wenn bei einer Frau die Fußgelenke nicht bedeckt sind. Öffentliches Steinigen von…wie geht das, wenn Frauen nicht außerhalb des Hauses arbeiten dürfen?
 Frauen, bei außerehelichem Sex. Für einen Betrogenen reichen zwei Zeugen, eine Frau benötigt zehn….die ihre Unschuld beweisen. Mädchen mit lackierten Fingernägeln wurden die Finger abgeschnitten.
Vergewaltigungen in Afghanistan werden nicht angezeigt. Eine vergewaltigte Frau gilt als befleckt, sie hat damit die Familienehre befleckt, immer wieder töten in Afghanistan Brüder und Väter diese Frauen .
Außerdem kann nach einer sogenannten „Jungfräulichkeitsprüfung“ angeordnet von einem Richter, eine Frau wegen des Straftatbestandes der „Zina“, also Sex außerhalb der Ehe, verurteilt werden.... Vergewaltiger kommen in Afghanistan bis heute straffrei davon....das hat nichts mit dem Koran zu tun, auch nichts mit der Scharia, das sind Gesetze, die sich die Männer geben haben. Weil es ihnen Macht gibt, Macht über die Frau, und ihre Sexualität.

Nase und Ohren einfach abgeschnitten

Dass Mädchen mit zehn, zwölf Jahren zwangsverheiratet werden, das nehmen wir ja fast schon hin. Aber wenn dann der meist alte Ehemann die junge Frau prügelt und misshandelt, wenn die dann  ihrem Peiniger davonläuft- dann wird es erst recht grausam. Und die Welt horcht auf. Sie erinnern sich an Aisha, auf dem Titelbild der Times? Der Ehemann hat dem Mädchen selbst die Nase abgeschnitten, die Ohren abgetrennt. Und sie in den Bergen ausgesetzt, hingeworfen, damit sie dort verbluten sollten. Durch Zufall haben sie amerikanische Soldaten gefunden…
Dramatisch heute die Situation der Witwen und alleinstehenden Frauen: sie dürfen nicht alleine aus  dem Haus, mit niemandem fremden, vor allem keinem Mann reden. Dabei steht auch in der afghanischen Verfassung: Männer und  Frauen sind vor dem Gesetz gleich….

Der Krieg gegen Saddam Hussein, im Irak- der scheint uns längst schon Geschichte. Vor den aktuellen Ereignissen in Tunesien, Ägypten, Libyen.
Aber auch im Irak sind es bis heute die Frauen, die dramatisch unter den Folgen zu leiden haben.

Auch im Irak zahlen die Frauen und Kinder die Zeche nach dem Krieg

Frauen auf der Strasse fürchten bis heute in Bagdad und Tigris gleichermaßen Verschleppung und Vergewaltigung. Vor kurzem erst wurde eine junge Ingenieurin nach dem einkaufen von sechs bewaffneten Männern in ein Auto gezwungen, in ein Haus außerhalb gebracht, mehrfach vergewaltigt, am nächsten Tag zurück gefahren und aus dem Auto geworfen. Müßig zu hoffen, dass sie bei der Polizei eine Anzeige los werden würde, geschweige denn dass die Täter auch nur gesucht werden.
Christen gelten im Irak als Gotteslästerer. 40 000 der 750 000 im Irak lebenden Christen haben das Land bereits verlassen. Christliche Frauen trauen sich überhaupt nicht mehr auf die Strasse. Denn sie sind leicht zu erkennen, ohne Schleier oder Kopftuch. Wobei sich auch die muslimischen Frauen mit Schleiern und langen Kleidern kaum noch in der Öffentlichkeit blicken lassen. Die meisten verlassen ihre Häuser kaum mehr, weil es einfach zu gefährlich ist. Bis heute. Der Krieg ist aber doch angeblich vorbei?
Eine bittere Entwicklung für die einst so starke irakische Frauenbewegung.
Denn vor dem Krieg war die  Rolle der Frau und ihre gesellschaftliche Position klar definiert. Sie gehörte zu den herausragenden in der ganzen Region. Im Bildungssystem wurden Frauen gefördert, es gab Strukturen. Mit Beginn des Krieges begann das Chaos. Seitdem beherrscht viele Frauen die ständige Angst, sie selbst oder ihre Kinder könnten Opfer einer fehlgeleiteten Bombe werden.
Oder Soldaten der Alliierten oder der neuen Regierung gehen einem „Hinweis“ nach und stürmen - wie es häufig geschieht - in einer Nacht- und Nebelaktion mit Taschenlampen und Maschinengewehren bewaffnet die Wohnung. Und vielleicht finden sie was oder wen sie suchen. In der Zeit nach dem  offiziell für beendet erklärten Krieg wurden irakische Frauen und ihre Kinder sogar in Gefängnisse gesteckt. Mit solchen Maßnahmen sollten ihre männlichen Verwandten unter Druck gesetzt werden.

Schluß mit der Frauenquote

Aber bittere Nachricht nach den letzten Wahlen 2010: die Frauenquote mit 25 Prozent aller Sitze für Frauen im irak. Parlament ist abgeschafft. Die bisherigen Parlamentarierinnen fürchten, dass Frauen in der Zukunft Iraks kaum noch eine Rolle spielen werden.
Obwohl sie Übermenschliches leisten müssen: das überleben ihrer Familien sichern, immer noch Chaos und Gewalt auf den Strassen. Allein im Großraum Bagdad leben 300 Tausend Witwen, landesweit über 800 000….mit inzwischen radikal eingeengten Bewegungsmöglichkeiten….also auch hier: die Frauen zahlen die Rechnung eines bitteren Krieges um Öl und Macht.
Umso gefährlicher wird die Situation für die Frauen an der Spitze des Staaten: Aquila al-Hashimi ist einem Attentat zum Opfer gefallen, sie war eine von drei Frauen im irakischen Regierungsrat. Und kurz darauf wurde Nisreen Mustafa al-Burwari Opfer eines Attentates, die bisher einzige Frau im irakischen Kabinett.

Die Alleingelassenen-Frauen in Kriegen. Das ist heute unser Thema. Alleingelassen haben die sogenannten Befreier die irakische Bevölkerung.
Nach geltendem Völkerrecht müssen Besatzungsmächte die Sicherheit der zivilen Bevölkerung garantieren. Sie haben die Pflicht, die öffentliche Ordnung wiederherzustellen, sowie Nahrungsmittel, medizinische Hilfe und Fürsorgeunterstützung bereitzustellen.
Wir wissen, dass dies alles nicht geschehen ist. Außerdem ist es gescheitert, den Frauen  - wie vor dem Krieg angekündigt -  eine gleichberechtigte Rolle beim Wiederaufbau des Landes zukommen zu lassen.

Ein Kanzlerin macht noch keinen Frühling....

Wenn Frauen von politischen Entscheidungsprozessen ausgeschlossen sind, gefährdet das auch ihre Rechte für die Zukunft. Darum fordere ich immer und immer wieder: Frauen müssen in allen Ländern, überall, teil der politischen Entscheidungen werden. In den Kommunalen Gremien, in den Landesgremien. Sicher- eine Kanzlerin macht noch keinen Frühling…aber besser als gar nichts ist es allemal.