Ein Impulsvortrag bei Rotary Hamburg-Wandsbek am 20 November 2017
Im Internet tobt der Hashtag-Krieg. MeToo heißt es da. Opfer berichten von sexueller Belästigung. Überwiegend Frauen. Aber jetzt auch Männer. Zum Beispiel Kevin Spacey. Der hat wohl vor vielen Jahren einen Jungen in London unsittlich berührt, und jetzt kam eine ganze Sex-Pest-Liste seiner Taten heraus. Schluss mit „House of Cards“ und vermutlich mit seiner ganzen Karriere. Gut so.
Aber bleiben wir bei den Frauen. Bei: Millionen Frauen. 4,7 Millionen auf facebook in 24 Stunden. Sie alle berichten von Sexismus und sexualisierter Gewalt. In den Studios von Hollywood, im europäischen Parlament, in der deutschen Film- und Fernsehbranche. Und jetzt auch im britischen Parlament. Eigentlich: überall. Ich finde das Erstens : erschreckend. Die Professorin an der Frankfurter Goethe-Universität bestätigt: „Die Menschen haben die Nase voll von Männern, die ihre Macht ausnutzen und rücksichtlos handeln“.
Ich denke, hier sind wir uns alle einig: Männer, die Macht haben, oder glauben Macht zu haben, dürfen ihre Positionen nicht ausnutzen, um ungestraft sexistische Kommentare zu äußern, oder gar sexuell übergriffig zu werden. Das dürfen wir nicht akzeptieren, dass muss benannt werden und verfolgt werden. Das ist strafbar- Und: das muss aufhören. Die im Netz geschilderten Vorgänge, und ich habe mich da mal eine Stunde durch gescrollt, mögen zum einen erschreckend drastisch, manchmal aber auch erstaunlich harmlos klingen. Aber überall klingt bei den Betroffenen blankes Entsetzen durch, wenn sie erkennen, dass sie als Menschen von Männern auf ihre Körperlichkeit reduziert werden. Frauen wünschen sich wie Männer, im professionellen Umfeld, einen professionellen Umgang. Punkt.
Aber, jetzt kommt mein großes Aber: sind wirklich all die Millionen Hashtag-Kommentare berechtigt? Vor allem diese vielen Beschuldigungen ohne Adressaten? Das macht aus meiner Sicht keinen Sinn, ist alles andere als hilfreich. Da erscheinen wir Frauen dann einfach nur als hilflos, als ausgelieferte Wesen, und alles andere als wehrhaft. Ich komme, wie Sie wissen, aus dieser Branche, aus dem Tageszeitungs- und Fernsehbusiness. Sehr oft die einzige Frau in der Redaktion, im Bayerischen Rundfunk, nicht im ZDF, da waren wir bei ML Mona Lisa nur Frauen. Später aber wieder im Ausland im Studio London, in Tokyo, im NDR als Direktorin. Einzige Frau mit neun wunderbaren Direktoren...Im Vorfeld dieses kleinen Impulsvortrags habe ich mit vielen Kolleginnen in Berlin, in München, in Hamburg und Köln gesprochen. Wir sind uns alle einig: endlich hat das Schweigen ein Ende, endlich wehren sich die Frauen- und Männer. Aber auch: wir scheinen alle in der gleichen Echokammer zu sitzen. Denn die von mir befragten Kolleginnen haben sich alle- gewehrt. Gleich, sofort, lautstark. Und es nicht zu einem Übergriff kommen lassen. Ich verstehe es sowieso nicht: Wieso folgt eine Schauspielerin der Einladung eines Produzenten abends in sein Hotelzimmer. Der macht im Bademantel auf- und sie kehrt nicht auf der Stelle um, wenn sie schon dort anklopft? Alle, die ich gesprochen habe, haben anzügliche Situationen in ihrem Berufsleben erlebt. Aber sie gehen ganz anders damit um. Frech, deutlich, klar und unmissverständlich. Und: nicht jeder sexistische Kommentar muss gleich zu sexualisierter verbaler Gewalt hochstilisiert werden. Ich mag sie auch nicht leiden, diese Männerwitze, auf Kosten der Frauen. Ich weiß aber auch: ich werde Männer nicht mehr ändern. Ich kann nur dafür sorgen, dass in meiner Gegenwart so was nicht mehr vorkommt. Auch wenn ich dann womöglich als prüde bezeichnet werde. Die handfeste Uschi Glas imponiert mir: als ein Schauspieler bei einer Kussszene ihr die Zunge tief in den Schlund zu stecken meinte, hat sie sofort den Dreh abgebrochen, den Kollegen vor dem ganzen Team zur Schnecke gemacht und sich das verbeten. Es war ihr einziges Erlebnis dieser Art, wie sie heute einräumt...
Ein ungutes Gefühl habe ich, wenn eine Fernsehkollegin erzählt, der Sendeleiter habe sie als Ansagerin „bedrängt und genötigt“. So sehr, dass sie sich vor ihm geekelt habe. Das mag ja sein. Aber dann nicht seinen Namen zu nennen, Butter bei die Fisch, heißt das, denke ich hier im Norden, das erscheint mir dann eher so, als wolle die Kollegin nur die Schlagzeile in der Bild-Zeitung sein. Wenn ich mich wehre, dann klar und deutlich, und ich muss Ross und Reiter nennen.
Das machen sie jetzt, die meisten Frauen bei #MeToo und in anderen sozialen Netzen. Mit gefällt der Tweet der britischen Kollegin, wegen der der Verteidigungsminister zurückgetreten ist: Aber doch nicht nur, weil er die Hand auf meinem Oberschenkel hatte- das twitterte sie ziemlich erstaunt? Nein, das stellt sich dann heraus, da war wohl mehr, mit noch einigen anderen Frauen im britischen Unterhaus. Oder die damalige Praktikantin bei Dustin Hofmann. Der sich Zoten und Geschmacklosigkeiten in ihrer Gegenwart so locker erlaubt und sich heute, zehn Jahre danach, entschuldigt. Dabei, das will ich auch betonen: ist es ein himmelweiter Unterschied, wenn er in ihrer Anwesenheit das Wort „Brust“ gebraucht – im Vergleich zum erzwungenen Geschlechtsverkehr auf der Besetzungscouch des Harvey Weinstein. Darum müssen wir auch aufpassen. Zote und Vergewaltigung in einem Atemzug zu nennen verschiebt die Gewichte auf der sexualisierten Skala, und verharmlost Vergewaltigungen.
Harvey Weinstein war wohl ein besonders widerliches Beispiel eines mächtigen Mannes, der rücksichtlos seine Machtposition ausgenutzt hat und Frauen benutzte. Er hat seine Quittung bekommen. Das ist das Gute daran. Dass wir heute so weit sind, dass darüber gesprochen wird, dass sich Frauen zusammen tun, und sich zur Wehr setzen. Dass das Internet einen Shitstorm, den ich lieber als Hashtag-Sturm bezeichnen will, dass das heute an niemandem mehr vorbei geht. Dass Zudringlichkeiten, Herabwürdigungen, Nötigungen und Machtdemonstrationen damit endgültig aus dem Leben der Frauen und Männer gestrichen werden. Und: das ist mir das Wichtigste: dass wir Frauen mutig, wütend, engagiert, selbstbewusst und ja, auch frech, uns wehren. Vor allem die jungen Frauen. Das wünsche ich mir. Damit ein Mann es nur einmal in seinem Leben versucht. Damit er weiß: das ist jetzt ewig gestrig, vorbei. Nicht mehr: state of the art. Dass die Bill Clintons, Strauß-Kahns und Donald Trumps mit ihren locker-room talks, sexuellen Attacken und Vergewaltigungsversuchen endgültig der Vergangenheit angehören.
Und wenn Sie sich jetzt alle hier fragen: was mache ich, der Mann, mit meiner Unsicherheit im Umgang mit Frauen? Ein Tipp: behandeln Sie Frauen so, wie Sie ihre Töchter, ihre Ehefrauen, ihre Mütter behandelt haben möchten. Dann liegen Sie richtig.